Beresina 2009

Minus acht Komma fünf Grad Celsius!Jetzt bin ich noch im T-Shirt und schaue auf den Thermometer, der draussen vor dem Fenster angebracht ist. Irgendwie graust es mich vor dieser Kälte. Mein Bruder Kurt kratzt gerade das Eis von den Autoscheiben weg. Ich folge ihm sofort und auf geht es Richtung Diessenhofen. Um zwanzig vor sechs – ich schreibe hier bewusst nicht 0640, doch dazu später – haben wir beim Restaurant Schupfen bei Diessenhofen abgemacht. Dort angekommen parkieren wir unser Auto und warten auf die Anderen. Ein paar wenige Minuten und ein Telefonanruf später trifft das zweite Auto ein. Kurt und ich zwängen uns zu Thomas, Kurt, Romeo und Stefan rein. Weiter geht die Fahrt nach Stein am Rhein. Dicht hinter uns folgen zwei schwarze Gummiboote aus ehemaligen Armeebeständen. Sie warten, gut verpackt, im Anhänger hinter uns auf ihren Einsatz. Pünktlich um sieben Uhr treffen wir beim Pontonierdepot in Stein am Rhein ein.

Eiligst beginnen wir mit dem Aufpumpen unserer Gummiboote. Zum Glück kann unser Verein zwei dieser Boote sein eigen nennen, denn erstmals findet die Übung Beresina ohne materielle militärische Unterstützung statt. Sie gehöre nicht zum Kernauftrag eines UOV’s, wurde als zu gefährlich eingestuft und zumindest in diesem Jahr nicht mehr bewilligt. Diese Übung findet im Gedenken an unsere Vorfahren statt, die während Napoleons Russlandfeldzuges bei der Schacht an der Beresina eine Brücke tapfer verteidigten. Damals herrschte eine bittere Kälte und das Wasser war eisig kalt. Keine angenehme Verhältnisse.

Bevor wir in See stechen können, muss Kurt noch unbedingt ein wichtiges Geschäft abwickeln... Dann kommt die schwierigste Aufgabe der Übung: Drei Ruderer sowie drei Bootsführer müssen auf zwei Boote verteilt werden! Kurt, Kurt und Thomas in einem Boot (wer bitte ist jetzt der Bootsführer?) und Stefan, Romeo und ich im anderen.

Wir brechen auf und rudern zunächst zu den Inseln oberhalb von Stein am Rhein. Quizfrage: wie viele Inseln sind es denn überhaupt? Unterwegs bemerke ich einen Geruch nach Punsch. Ich freue mich auf ein wärmendes Getränk. Doch auf der Insel angekommen, stellt Romeo fest, dass die Thermoskanne ausgelaufen war und nur noch ein Rest übrig ist. Trotzdem reicht es noch bei jedem zu einem kleinen Becher. Doch ein weiterer Verlust bereitet uns einiges mehr Sorgen. Das eine Boot weist ein kleines Leck auf, durch das etwas Luft entweicht. Keine gute Sache. Noch ist das Leck klein doch befürchten wir, dass es sich verschlimmern wird. Daher versucht Kurt den Schaden zu begrenzen und nimmt sein Täschchen für Notfälle hervor.

Nach diesem kurzen Zwischenhalt machen wir uns wieder auf. Während die eine Gruppe auf der rechten Seite der Insel, dort wo wir gelandet sind, wieder in See sticht beschliessen Romeo, Stefan und ich einen anderen Weg. Wir tragen das Boot über die Insel. Genauer gesagt, gehen wir dort durch, wo bei höherem Wasserstand eine Furt die unteren beiden Inseln trennt. Auf der anderen Seite möchten wir das Boot wieder zu Wasser lassen. Doch das Ufer ist so flach, dass wir nicht einfach davon rudern können. Wir sind sozusagen auf Kiel gelaufen. Wir haben uns ein paar Meter vom Ufer wegbewegen können, doch jetzt sitzen wir fest. Nach einigen Versuchen finden wir heraus, dass wir uns durch Gewichtsverlagerung wieder befreien können. Endlich befinden wir uns wieder in der Strömung des Rheins und können uns unter der Brücke von Stein am Rhein durch treiben lassen.

Thomas hat sich für diese Beresina etwas Spezielles einfallen lassen. Mit einem Kreuzworträtsel testet er unser Wissen über die lokale Geschichte. Unweit von Stein am Rhein befindet sich etwas flussabwärts auf der linken Flussseite eine kleine Kapelle. Dort hängte ein Glocke aus dem geschichtsträchtigen Jahr 1291. Doch welchen Namen trägt diese Glocke? Ich tippe mal auf Annemarie, doch das passt nicht ins Rätsel. Wie wär’s mit Rosmarie? Rosalie? Ach, das war bei Bligg und passt auch nicht rein. Aha – das ist die Marien-Glocke!

Kurz darauf treiben wir an zwei Fischern in einem Boot vorbei. Sie gehören zu den wenigen Menschen, denen wir hier begegnen. Romeo weist uns noch darauf hin, dass sich dort am linken Ufer eine Kolonie Zigeuner befände, doch es handelt sich nur um den menschenleeren Campingplatz.

Eine sehr frische Brise kommt auf und bläst uns die Nebelschwaden entgegen. Jetzt müssen wir etwas rudern, um nicht von dieser kalten Brise abgetrieben zu werden. Wir näher uns den beiden Brücken von Hemishofen. Während die erste Brücke, eine Strassenbrücke jüngeren Datums ist, stammt die zweite Brücke aus dem Jahre 1875. Diese alte Eisenbahnbrücke ist eine Konstruktion eines bekannten Ingenieurs. Doch von wem? “Ammann” weiss Romeo uns zu überzeugen. Doch dieser Name passt nicht in die Kästchen und keiner von uns anderen kennt ihn. Stimmt also nicht. Irgendwann fällt der Name “Eiffel”, der Konstrukteur des berühmten Pariser Wahrzeichens. Doch wie heisst er zum Vornamen? Während unsere Gruppe bei diesem Rätsel “Lösungs”-orientiert denkt und nur die für das Lösungswort wichtigen Buchstaben einfüllt, arbeitet die andere “Looser”-orientiert... Im Nu stellen wir nämlich fest, dass wir für das Lösungswort nur das letzte “L” des Nachnamens benötigen, während die anderen noch immer den richtigen Vornamen suchen. Mit vollem Namen heisst dieser Mann übrigens “Alexandre Gustave Eiffel”.

Weitere Lösungswörter unterwegs sind “AKW” (Ja die Nordostschweizerischen Kraftwerke planten hier mal ein Kernkraftwerk), “Klingenzell” (ein paar Blaublütige...), und “Napoleon” (wer kennt ihn nicht?). Nur bei dem Generalstand kommt uns der Name des Hügelzuges nicht in den Sinn. Ein Blick auf die Karte entlarvt ihn als “Rodenberg”. Und schon fehlen nur noch wenige Lücken zum Lösungswort: “AP__NZ_LL__”! Ich hab es: es handelt sich wohl um ein bekanntes, braunes Getränk ostschweizerischer Herkunft! Sofort kommt mir wieder Bligg mit seinem Lied in den Sinn.

Unsere Bootstour neigt sich dem Ende entgegen. Schon nähern wir uns dem Restaurant Schupfen. Doch da winkt uns jemand aus dem Wald entgegen! Thomas befiehlt zur Landung. Wir treffen auf Freddy. Er und seine Frau haben extra für uns noch eine Stärkung zubereitet. Genüsslich verzehren wir die Würstchen und die feine Gerstensuppe. Eine gelungene Überraschung zum Abschluss der Beresina!

rolf suter

Weiter Bilder findet ihr im Bilderarchiv (2009)